Arabische Mineralogie
Minerale im heutigen Sinne sind anorganische, zumeist kristalline Substanzen,
die sich als chemische Verbindungen unter natürlichen physikalisch-chemischen
Bedingungen bei geologischen Prozessen bilden. Die arabische Mineralogie
hingegen versteht darunter alle Stoffe, die nicht dem Tier- oder Pflanzenreich
zuzuordnen sind, also Gesteine und Minerale in unserem Sinne, aber auch
Glasflüsse, ferner Erze, Metalle und alle Hüttenprodukte sowie
organische Gebilde (z. B. Korallen), Fossilien und fabelhafte Steine.

Die moderne Mineralogie bedient sich bei der Mineralbestimmung und
-klassifizierung u. a. der Kristallographie. Diese Wissenschaft ist im islamischen
Mittelalter unbekannt. Beschrieben werden die leicht festzustellenden physikalischen
Eigenschaften des Minerals: schwer oder leicht, glatt oder rauh, spaltbar
oder hämmerbar, löslich oder unlöslich, durchsichtig oder
opak. Angeführt werden ferner die Farben, der Geruch, der Geschmack
wie auch das Verhalten des Minerals im Feuer und gegen Säuren. Zur
Beschreibung gehören ferner die Angaben zu den Elementarqualitäten
(heiss, kalt, feucht, trocken), die vor allem im Hinblick auf die medizinische
Anwendung von Bedeutung sind. Als Heilmittel finden die Mineralien innerliche
wie äusserliche Anwendung, sei es, dass sie pulverisiert mit Wasser,
Öl, Milch etc. eingenommen oder als Pulver und mit anderen Ingredienzien
eingerieben, aufgestrichen oder zu Umschlägen verwendet werden. Magischer
Natur sind die Vorschriften, einen Stein um- oder anzuhängen, auf-
oder unterzulegen oder in die Hand zu nehmen. Im Hinblick auf die Erkrankungen
finden sich Mineralpulver sehr häufig als Zusätze zu Augenheilmitteln
und Augenschminken, nicht weniger oft finden sie Verwendung bei Hauterkrankungen,
Wunden und Vergiftungen. Bei psychischen Leiden, gegen den bösen Blick,
gegen Lähmungen, aber auch als Glücksbringer findet die magische
Medizin Anwendung.
Diese Art der Beschreibung, gleichsam eine medizinische Mineralogie
und schon bei den Griechen (Dioskurides, Galen) bekannt, findet sich in
den phannakognostischen Werken von Hunain Ibn-Ishaq (192/808-264/877) über
Ibn-Sina (Avicenna, 370/980-428/1037) und Ibn-al-Baitar (gest. 646/1248)
bis zu Dawud al-Antaki (gest. 1008/1599).
Mit den Fragen nach der Entstehung der Mineralien (ma`adin) und ihrem
chemischen Verhalten beschäftigen sich - geprägt durch griechisches
Gedankengut - neben anderen die mineralogischen Kapitel in den naturphilosophischen
Schriften der Lauteren Brüder (Ihwan as-safa', 2. Hälfte des 4./10.Jahrhunderts)
oder den Kosmographien des Zakariya' al-Qazwini (600/1203-682/1283) und
des Sams-ad-Din ad-Dimasqi (gest. 727/1327). So sind nach den Lauteren
Brüdern die Mineralien in drei Arten aufgeteilt: die erste Gruppe
(Salze, Schwefel, Alaune, Vitriole) entsteht im Staub, Lehm und Morast
und braucht ein Jahr, um zu reifen. Die zweite Gruppe umfasst die sich
auf dem Meeresboden bildenden Substanzen wie Perlen und Korallen. Zur letzten
Gruppe gehören Metalle und Edelsteine, die im Inneren der Gebirge
entstehen und zu ihrer Reifung Jahrhunderte benötigen. Über die
Entstehung der Steine teilt al-Qazwini folgendes mit: durch Sonne, Regen
und Wind sind Teile der Erde zu hartem Stein, reinem und salzhaltigem Ton
geworden. In dem harten Stein entstehen die Edelsteine wie Korund oder
Smaragd, aus salzhaltigem Ton die Alaune, Vitriole und Salze.
Der ökonomischen Bedeutung der Mineralien trägt eine letzte
Gruppe von Steinbüchern (kutub al-ahgar) Rechnung. Vorwiegend praktisch-wirtschaftlich
ausgerichtet, werden hier vornehmlich die Edelsteine behandelt. Als früheste
Schrift gehört dazu die Abhandlung des Ya`qub Ibn-lshaq al-Kindi (gest.
nach 256/870) "Über die verschiedenen Arten Steine (die Edelsteine,
ihre Fundorte, die guten und die schlechten Steine) und die Preise derselben".
Zu nennen ist aber auch das Werk des Abu-'r-Raihan al-Biruni (362/973-442/1050)
"Über die Kenntnis der Edelsteine". Eines der bekanntesten und verbreitetsten
Bücher dieser Art ist das Edelsteinbuch des Ahmad Ibn-Yusuf at-Tifasi
(gest. 651/1253), das auch späteren Autoren als Vorlage diente. Im
Gegensatz zu den Phannakognosien und Kosmographien werden hier nur eine
begrenzte Zahl (25) von Mineralien beschrieben: Edelsteine und Halbedelsteine,
deren Besitz Vermehrung des Wohlstands bedeutete. Behandelt werden daher
Fundstätten, Qualitätsmerkmale, Handelswert, technische Verwertbarkeit,
daneben aber auch ihre medizinisch-magischen Eigenschaften.
Da der arabischen Mineralogie nicht die Möglichkeiten der chemischen
Analyse zur Verfügung standen, findet sich auch keine einheitliche
Systematik. Die Klassifzierung der Substanzen musste sich an äusseren
Merkmalen (s. o.) orientieren. In diesem Sinne unterteilt der Alchimist
Aidamir Ibn-`Ali al-Gildaki (gest. 743/1342) die Mineralien in vier Klassen:
Edelsteine, z. B. Korund, Smaragd; mineralische Steine, z. B. Antimonglanz,
Vitriole; fabelhafte Steine und Steine aus dem Inneren der Tiere. Dieser
Systematik folgt unsere Ausstellung in der Aufstellung der Objekte, wobei
jedoch die beiden letzten Gruppen keine Berücksichtigung finden.
Mail Dr. K. W. Strauß for comments, questions, and further information.
Die Ausstellung wurde gemeinsam von Dr. A. Schopen (Göttingen) und Dr. K. W. Strauß
(Clausthal) organisiert.
Vom 8. Februar - 31. Mai 1996 war diese Sonderschau in den Räumen der
Clausthaler Mineraliensammlung und vom 6. November - 5. Dezember in der S-Galerie
der Sparkasse Göttingen, Weender-Str. 69 zu sehen.
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