Paläontologie

Ausgestorbene Lebewesen, Fossilien, deren Aussehen, Lebensumfeld und deren Verhalten in diesem sind das Beschäftigungsfeld der Paläontologen. Sie erforschen die Biologie längst vergangener Orga­nismen, unabhängig von deren Alter und deren Entwicklungs­stufe, um ein möglichst vollständiges Bild der Entwicklungs­geschichte des Lebens und der Lebewesen, der Bakterien und Insekten ebenso wie das der Dinosaurier, der frühen Menschen oder der Urwälder des Karbons zu erhalten.
Die Evolution der Tiere und Pflanzen liefert den Geologen ein Zeit­gerüst, auf dessen Grundlage die Erdgeschichte erforscht und ver­ständlich gemacht wird.

Der Ursprung des Lebens

Leben in unserem Sonnensystem ist, soweit heute bekannt, einmalig! Viele Wissen­schaftler, die sich mit dem Ursprung des Lebens und Leben in anderen Welten beschäftigen, gehen davon aus, dass Leben auf unserer Erde nicht einmalig ist, und irgendwo im Universum noch lebende Organismen existieren, unter welcher Form und welchen Bedingungen auch immer das sein mag.

Dass Leben auf unserem Planeten erst seit der Erschaffung der Erde im Sinne der Bibel besteht, glaubt heute, mit Ausnahme einiger religiöser Fanatiker, niemand mehr, doch vor einigen hundert Jahren war das alles ganz anders. Dass die ältesten heute bekannten Organismen schon vor 3,8 Milliarden Jahren im Urozean entstehen konnten, haben Geowissenschaftler vor hundert Jahren auch nicht zu denken gewagt.

Eigentlich wissen wir über die Entstehung des Lebens und der ersten sich vermehrenden Orga­nismen, Blaubakterien (Cyanobakterien) und Blaualgen konkret auch heute noch nicht viel. Wissenschaftler, die sich damit befassen, erstellen über Gedankenspiele und Modelle Wahrscheinlichkeitsszenarien, deren Grundlagen der heutige Wissensstand der Geologie und Biogeologie des Archaikums und Proterozoikums ist.

Die Entstehung des Lebens setzt voraus, dass sich in der ersten Milliarde Jahren der Existenz unserer Erde als Planet, als die Erdoberfläche unter dem Siedepunkt des Wassers abkühlte, eine Protohydrosphäre entwickelt hat, die als globaler Ozean die Erdoberfläche bedeckte und über der eine sehr giftige Protoatmosphäre lag. In diese abiotische Welt hagelte es Meteoritenschwärme, deren Einflüsse auf die sich kontinuierlich verändernden globalen Bedingungen nicht bekannt sind. Einigen Wissenschaftlern zufolge hatten vor allem Eis-Meteore einen unermesslichen Einfluß auf die Entwicklung des frühen Ozeans. So gesehen sind die chemischen Veränderungen und Schwankungen des frühesten Welt­meeres nicht nur auf die Zufuhr von Gasen magmatischer Herkunft aus dem Erdinneren zurückzuführen, sondern auch auf die Zufuhr von Materie aus dem All.

Meteoriteneinschläge - Ursache der ersten organischen Makromoleküle?

Einige Biologen und Biogeologen nehmen an, dass es den Meteoriteneinschlägen in die oze­anische Ursuppe zu verdanken ist, dass organische molekulare Verbindungen von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff entstanden sind. Diese ersten organischen Makromoleküle waren jedoch noch nicht lebensfähig.

Erst nach dem Abklingen des Meteoritenbombardaments ist Festland in größerem Ausmaß entstanden, was vor rund vier Milliarden Jahren geschah. Auf den frühesten vulkanischen Inseln kam es verstärkt zur Verwitterung der Gesteine und ihrer Erosion. Entstehende und sich ständig erweiternde Flußsysteme sorgten für den Transport der Verwitterungs­produkte, die sowohl in flache als auch tiefe Bereiche des Weltmeeres und in mehr oder weniger tiefe Senken auf den entstehenden Kontinenten verfrachtet und abgelagert wurden.

Nicht viel älter als die ersten organischen Verbindungen sind heute noch erhaltene Minerale und Gesteine. Das höchste an einem Mineral, einem Zirkon, bestimmte und als gesichert geltende Alter ist mit 4,2 Milliarden Jahren datiert, doch "nur" 3,96 Milliarden Jahre alt ist das älteste bekannte Sedimentgestein, ein Gneis. Beide stammen aus einer Formation, die an der Nordostküste Kanadas und der Westküste Grönlands ansteht. Zu den ältesten und sicher datierten Gesteinen gehören auch die 3,8 Milliarden Jahre alten gebänderten Eisenquarzite von Isua im Südwesten Grönlands. Die dunklen Bänder dieser BIF's (Banded Iron Formations) sind schwarz und nicht rot wie die der jüngeren Eisen-Bänder-Erze. Dieser Farbunterschied ist ein Hinweis, dass diese kohligen Eisenoxid-Silika-Gesteine in sogenannten "Sauerstoff - Senken" abgelagert worden sind, d. h. in einem Sauerstoffreichen oder -armen Milieu.

Diese grönländisch - kanadischen Sedimentgesteine enthalten Strukturen, deren Kohlen­stoff - Isotopen - Verhältnisse darauf hinweisen, dass vor knapp vier Milliarden Jahren organische Formen auf der Erde existiert haben. Die wichtigsten chemischen Elemente, die diese, noch ohne echten Zellkern, jedoch mit Zellwänden ausgestatteten Organismen (Prokaryoten) aufbauten, sind die Grundelemente des Lebens: Sauerstoff (O), Wasserstoff (H), Stickstoff (N) und Kohlenstoff (C). In geringeren Mengen kommen noch Phosphor, Kalzium, Eisen, Magnesium, Kalium, Natrium, Schwefel, Mangan, Kupfer, Kobalt und Zink vor, und in sehr geringen Mengen noch einige weitere lebenswichtige Elemente.

Betrachten wir diese Konzentration der lebenswichtigsten Elemente, wird deutlich, dass sie zu den häufigsten der Erdkruste gehören und eben diese Elemente auch die wichtigsten Nährstoffe aller Lebewesen sind, einschließlich der heutigen.

Die Frage, ob der erste Schritt zur Bildung organischer Strukturen durch Meteoriteneinschläge ausgelöst oder begünstigt wurde, oder durch hohe Einstrahlung ultravioletten Lichts, das ungehindert durch die primitive Atmosphäre in den schwach salzigen Ozean gelangte, ist noch nicht beantwortet. Einigen Wissenschaftlern zufolge hat das Leben seinen Ursprung in der Tiefe des Ozeans, um sogenannte "Schwarze Raucher", d. h. im Umfeld von heißen, an Metallen und Schwefelwasserstoffen reichen Quellen. Dort sollen aus noch nicht bekannten Gründen organische Verbindungen entstanden sein.

Die erste Nahrung - verwitterte Gesteine

Fakt ist, dass die ältesten Organismen, Blaubakterien (Cyanobacteria), früher auch Blau­algen (Cyanophyceen) genannt, zu den Prokaryoten gehören, also zu Organismen ohne echten Zellkern, und dass die Entwicklung von diesem Stadium des Lebens bis hin zu lebenden Einzellern mit Zellkern und Vermehrung durch Zellteilung mehrere hundert Millionen Jahre dauerte und mit der Weiterentwicklung des Festlandes einher ging, vor allem aber mit der Verwitterungsrate der kontinentalen Gesteine, die die Anlieferung der elementaren Nährstoffe in das aquatische Milieu garantierte und somit das Überleben der ältesten primitiven Organismen. Die ausreichende Zulieferung von Nährstoffen führte nicht nur zu einer quantitativen Vermehrung der existierenden Organismen, sondern auch zur Entstehung neuer Formen und neuer Arten.

Sauerstoff - hochgiftig für die ersten Organismen

Die ersten Organismen, allesamt Bakterien, verarbeiteten die primitive Nahrung über Gärungsprozesse zu Substanzen, denen sie dann die zum Leben notwendige Energie entzogen. Dabei wurde ein Teil der aufgenommenen Elemente in unterschiedlichster Form wieder freigesetzt, darunter auch Sauerstoff, der zu jener Zeit in Mineralien und Gesteinen in großen Mengen gebunden war, im Wasser gelöst und in der primitiven Atmosphäre jedoch nur in Spuren vorkam oder fehlte. Interessanterweise war es der von den ersten Lebensformen freigesetzte "giftige" Sauerstoff, der den primären Prokaryoten zum Verhängnis wurde.

Dem primären, auf Gärungsprozessen basierenden Stoffwechsel folgte eine neue Form der Um­wandlung der Nahrung in Energie, die Zellatmung, wobei dieser Prozeß, die Photosynthese, bis heute die wichtigste Form der Freisetzung von Sauerstoff in der Biosphäre ist.

Ein Beleg der Sauerstoffanreicherung in der Hydro- und Atmosphäre sind die bis zu 2,6 Milliarden Jahre alten Rotsedimente, die durch Oxidation von Mineralien zur Bildung neuer Oxide und sauerstoffreicher Silikate führte. Die erstmals vor rund 2,8 Milliarden Jahren auftretenden Blaubakterien wurden nun gezwungen, sich der Sauerstoffanreicherung im Meerwasser anzupassen oder für immer zu verschwinden. Dass mindestens ein Teil der damals existierenden Formen sich den neuen Bedingungen durch Mutationen oder kontinuierlicher Entwicklung angepasst haben, belegen fossile Mikroorganismen - Popu­lation, Heterozysten, die in der zwei Milliarden Jahre alten Gunflint-Formation (Obere Seen Region, USA / Kanada) erstmals gefunden wurden.

Doch bis es soweit war, dass sauerstoffatmende Organismen entstehen konnten, die sich durch Teilung des Zellkerns vermehrten, mußte ein langer Weg zurückgelegt werden. Dieser Weg wurde und wird von einer kleinen, internationalen Gruppe von Wissenschaftlern durch immer neue Funde und immer besseren Untersuchungsmethoden und Techniken nachgezeichnet.

Den ersten, wahrscheinlich kugeligen- und blasenförmigen Blaubakterien folgten sehr kleine, faden- und stäbchenförmige, aneinandergereihte und einfach strukturierte Zellen, die ihr Überleben einer geringen Sauerstofftoleranz verdanken.

Als die ersten organischen Verbindungen in der ozeanischen Ursuppe entstanden, fehlte in der sich entwickelnden Atmosphäre freier Sauerstoff vollständig oder war nur in Spuren vorhanden. Es gilt als gesichert, dass chemische Reaktionen, die zur Entstehung organischer Makromoleküle geführt haben, im Beisein größerer Mengen von freiem Sauerstoff nicht möglich gewesen wären. Auch die ersten Organismen, die Blaubakterien, hätten im Beisein von Sauerstoff nicht überlebt, denn Ihnen fehlten die enzymatischen Schutzeinrichtungen, die sie vor dem freien, für sie giftigen Oxigen geschützt hätten. Biochemische, geochemische und paläomikrobiologische Erkenntnisse belegen, dass erst zwei Milliarden Jahre nach der Entstehung der Erde die Konzentration des für uns heute so wichtigen Elements in der Atmosphäre und der Hydrosphäre nur allmählich anstieg und seine Freisetzung erst vor 2,8 / 2,6 Milliarden Jahren eingesetzt hat, was durch die verstärkte Bildung von Rotsedimenten und den gebänderten Eisenerzen belegt ist. Dabei spielte auch die Bindung des Sauerstoffs an dreiwertigem Eisen eine große Rolle und die daran geknüpfte Umwandlung des Magnetits zu Hämatit. Nur so ist das Alter der weltweit vorkommenden BIF - Lagerstätten, 2,6 bis 1,6 Milliarden Jahre, zu erklären, wobei in den letzten 400 Millionen Jahren dieser Zeit die Ablagerungen dieser Art von Eisenerzen stark zurückgegangen sind. Daraus resultiert, dass auch die Entwicklung von Sauerstoff freisetzenden Procaryoten zu Sauerstoff atmenden Eukaryoten in diese Zeit fällt. Sicher ist, dass dieser Prozeß nur langsam vor sich ging, und bis er abgeschlossen war, rund zwei Milliarden Jahre vergangen sind (2,6 - 0,65 Milliarden Jahre vor heute).

Stromatolithe - die ältesten fossilen Organismen

Es kann nun mit Sicherheit gesagt werden, dass die ältesten, 3,5 Milliarden Jahre alten Stromatolithstrukturen der Warrawoona Gruppe, West-Australien und die ähnlichen gleichalten Strukturen aus der Onverwacht Gruppe, im Osten Transvaals, Südafrika, fossile Organismen sind, die sehr früh durch kalkige, dolomitische oder kieselige Reaktionen versteinert wurden, und deren Erhalt über Milliarden Jahre den überlagernden Sedimenten in tektonisch ruhigen Gebieten unserer Erde zu verdanken ist.

Die frühen Organismen waren autotrophe Selbsternährer, d. h. sie produzierten aus an­organischen Stoffen organische Substanzen, denen sie dann die notwendige Energie zum Leben entnahmen. So auch die älteren Arten der Stromatolithe, aus denen sich dank der Verbesserung der Nahrungsumsetzung neue Stromatolith - Gesellschaften, wie die der 2,8 Milliarden Jahre alten Fortescue Gruppe, Hamerley Basin (West - Australien) und die der Ventersdorp Formation, T'Knipp Hills (Südafrika) entwickelt haben, und an deren Aufbau mehrere Arten beteiligt waren.

Im ausklingenden Archaikum, vor rund 2,5 Milliarden Jahren, waren Procaryoten im weltweiten aquatischen Lebensraum schon stark verbreitet, sowohl im marinen, mit schwach salzigem Wasser, als auch im lakustrinen und fluviatilen Süßwasser-Milieu. In diese Zeit fällt auch der Beginn der ständig steigenden Artenvielfalt. Welchen Weg die Natur gegangen ist, um aus dem Sauerstoff abscheidenden Prokaryoten Sauerstoff atmende Eukaryoten und aus diesen beständige Vielzeller hervorzubringen, ist noch unklar. Ein Szenario wäre, dass einzellige Eukaryoten zu "Räubern" wurden, andere Zellen "fraßen" und sich so zu Zellorganellen - Mitochondrien, Lysosomen und Chloroplasten ent­wickelt haben. Dabei kam es auch zu einer beträchtlichen Vergrößerung der Zellen. Nicht auszuschließen ist, dass gleichzeitig auch noch nicht bekannte Prozesse abgelaufen sind, die wesentlich zur Entstehung des eukaryotischen Zellkerns geführt haben.

Erste Fortpflanzung - vor 2,5 Milliarden Jahren

Bis dieses Teilstück auf der Straße des Lebens zurückgelegt wurde und die Existenz der Eukaryotenzellen als stabile Organismen Fortpflanzung gesichert war und diese primitiven Lebensformen die Weltmeere in genügend großer Zahl, um zu überleben, bevölkert haben, sind rund 500 Millionen Jahre vergangen (2,5 - 2 Milliarden Jahre vor heute). In den folgenden 600 Millionen Jahren (2,0 - 1,4 Milliarden Jahre vor heute) tritt die Weiterentwicklung des Lebens noch sehr undeutlich aus dem Nebel der Vergangenheit hervor. Es kann jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es in dieser Zeit zur Entwicklung der ersten eukaryotischen Mikroorganismen, Grün- und Rotalgen, kam. Diese setzten nun biologische Prozesse in Gang, die den Weg zur Entstehung und Weiterentwicklung von vielzelligen, höher entwickelten Pflanzen und Tieren erst möglich gemacht haben.

Es dauerte 850 Millionen Jahre (1,4 - 0,65 Milliarden Jahre vor heute), bis das Tor zum heutigen Reich der Pflanzen- und Tierwelt ganz aufgestoßen worden ist und sich im Vorhof des modernen Lebens die Ediacara - Organismen entwickelt haben. Und es dauerte nochmals 650 Millionen Jahre Evolution, bis der Homo sapiens, der Mensch, die höchste Stufe der Lebensleiter erklommen hat.

Alfred K. Schuste

Literaturhinweise

E. Kalkowsky, (1908)

Oolith und Stromatolith im norddeutschen Buntsandstein. Zeitschrift der Deutsch. Geol. Gesell., 60; 68 - 125; Berlin.

J. William Schopf (Herausgeber) und 21 weitere Autoren, (1983)

Earth's Earliest Biosphere. Its Origin and Evolution. Princeton University Press, Princton, New Jersey. (Detaillierte Literaturhinweise)

C. Preston, (1987)

Die Biosphäre. In Spektrum der Wissenschaften. Die Dynamik der Erde, S.156 - 167, Heidelberg.